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In den USA stöpselte in den Jahren nach Dylans wegweisendem
Sakrileg eine ganze Heerschar von ehemaligen Folkwiederbelebern die
Gitarren in billige Verstärker, um über eine angemessene Lautstärke
auch zu angemessener Beachtung zu finden. Aber nur wenige spiegelten
ihre Befindlichkeit in den trüben Wassern des Blues; Country war angesagt,
süßes Landleben, rauh, aber herzlich wie der Schluß von 'Easy Rider'.
Blues auf der Höhe seiner Zeit, also auf der Höhe des Jahres Woodstock,
machte gerade mal der junge Taj Mahal, der mit Ry Cooder zusammen
eine vielversprechende Band namens The Rising Sons vergeigt
hatte und schon auf Grund seiner Hautfarbe gern als authentischer
Blues-Mann durchgehen konnte: Soviel Gehirnschwurbel und Rezeptionsmißverständis
verlangt nach einem gut gepolsterten Platz auf dem Rücksitz dieses
Plattensammlungs-Cadillacs: Taj Mahal - so echt wie eine bauchige
Rotweinflasche beim Italiener um die Ecke. Allein schon der Name ist
ganz weißer Marmor in indischer Nacht, allein schon die gurrende Stimme,
der blitzende Blick läßt Mädchenherzen höherschlagen. Sein 'Recycling
the Blues & Other Related Stuff' signalisiert bereits im Titel
den zeitgemäßen Umgang mit Original-Material; zu sachten Kalimba-Klängen
macht sich erst einmal der other related stuff breit, sanft, sachte,
akustisches Petting, bis wir uns einer relaxten Blues-Liebesnacht
hingeben dürfen, die dem zärtlichen Vorspiel in nichts nachsteht.
Gepriesen sei der Mann, der die Pointer Sisters, Ry Cooder,
Jesse Ed Davis, Lightnin' Hopkins und Howard Johnson ins Studio locken
konnte: So klingt wahrer Crossover, über alle Stile und über die Zeit
hinweg, bis in alle Gegenwart, cool.
Der geistige Vater einer anderen Variante
des Crossover, John Lee Hooker, erlebte in jenen frühen siebziger
Jahren, als sich der Boogie so fein mit den Hippie-Grooves paaren
ließ, mit und neben den Aufnahmen mit Canned Heat seinen dritten
Frühling. Ein feiner Bastard, dessen absurder Witz sich erst nach
einigen Jahrzehnten weiteren Lebens und Sterbens angemessen erschließt
und Stoff bietet für mindestens zwei weinselige Abende voller wüster
Geschichten: 'Endless Boogie' eben. Hier wird eine stets nach
vorne treibende Musik auf die Gleise des Stereotyps gesetzt und die
weißen Mucker setzen den schwarzen Triebwagen so stark unter Dampf,
daß sich der endlose Boogie in eine zeitlose Körpermusik übersetzt,
die heute Techno oder Jungle heißen würde und vor ein paar Jahrzehnten
noch allein das rhythmische Fußstampfen eines Charlie Patton zu den
ewig gleichen Geschichten und Scheppertönen seiner Gitarre gewesen
ist: Doch das alkoholdrogensexbesessene Tosen um den ewigen Musiker
herum ist dasselbe geblieben. Und als Text reicht es, wenn John Lee
Hooker alle zwei Minuten "well, well, well" raunzt. |
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TAJ MAHAL
'Recycling the Blues & Other Related Stuff' (1972)
22
JOHN LEE HOOKER
'Endless Boogie' (1971)
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