Musikmeldungen aktuellMusikstromKolumnenSoundcheckPopalphabetGastbeiträgeWeblinksKontaktinfo  
  Home
 
Abteilungen
"Viva Last Blues..." Teil 1 : 2 : 3 : 4
Abteilung 8, in der eine neue Generation den Blues sattelt, um in die virtuelle Darstellung eines aufgehenden Atompilzes zu reiten  
  Klingen doch alle Stücke gleich. Sagen die alten Säcke. Hören nicht die neue Musik. Schrieb einst sinngemäß Diedrich Diederichsen, wo einmal ein Guter war. Darum ist der Blues der neunziger Jahre für viele so schwer zu entdecken, weil er immer noch mit Herz und Hirn und Hintern erkannt werden will - auch wenn man, weiß Gott, als 40something den Techno nicht mehr tanzen kann, nicht den Jungle, den Neurofunk, den Drum und den Bass, den Electro nicht und nicht den House, nicht Speed Garage oder Two Step: Der Hintern hat Ruh'. Doch was schert das die Musik? Der Lärm geht weiter, der Aufriß, das Zucken, Zerren, Zappeln der Hormone und Gefühle. Die Gedanken stehen nie still. Und der Blues macht, was er will.
     Der Eindruck ist nicht ganz falsch, daß der Blues heute MDMA schluckt und in den Techno-Katakomben und Drum'n'Bass-Bars zu Hause ist.
     Doch selbst die Jahrtausendwende hat ihre wirren Blues-Buben, die sich aus den halbauthentischen Klangquellen bedienen, die bruitistische Landeier wie Junior Kimbrough oder R.L. Burnside nicht versiegen lassen. Den harten Bluesdrink nouveau eingeschenkt hat zu allererst ein gewisser Jon Spencer, der bereits mit Pussy Galore dem herberen Geschmack verpflichtet war und seit 1990 mit seiner Blues Explosion immer gewagtere Mixturen aus seinem dahinjagenden Schlangenölverkaufsmobil schleudert: 'Now I Got Worry' kreischt wie besessen um die Kurve; im Vorbeihetzen erkennen wir, daß sowohl die Rythm'n'Blues-Röhre Rufus Thomas, der Bluesvernichter Thermos Mallig von Doo Rag und als Hipster vom Dienst Money Mark (gerne auch Keyboarder der Beastie Boys und genialischer Schöpfer von so etwas Unmöglichem wie Ambient-Easy-Listening) mit von der wüsten Partie sind. 'Now I Got Rhythm' wird passenderweise von einem grellen Schrei eröffnet, der unmittelbare Gefahr und Betroffenheit signalisieren soll. Aber wir fallen nicht darauf herein: Dies ist nur ein Bühnenschrei, der Schrei eines Synchronsprechers vielleicht, der hier den alten Blues für uns übersetzt. Die Wildheit des Blues ist auf 'Now I Got Rhythm' nur Fassade, hinter der sich vielleicht eine andere Wildnis verbirgt, andere Abgründe, von denen wir noch nichts wissen können, aber keinesfalls der ländliche Existentialismus des Originals. Nach dem Original wird hier aber gar nicht mehr gesucht; es wird nur noch enzyklopädisch vorgeführt. Und Schluß.

Genrecheck:
Techno

 

 

 

 

30
JON SPENCER'S BLUES EXPLOSION
'Now I Got Worry' (1996)

 

 

 

 

 

 

Weiter >>

 

Musikmeldungen aktuell | Musikstrom | Kolumnen | Soundcheck | Popalphabet | Gastbeiträge | Weblinks | Kontakt