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"The song remains the same" Teil 1 : 2
Abteilung 5, in der sich der Blues von allzu viel Echtheit erholt und einen lautstarken Übersee-Aufenthalt bucht  
  Existierte der Blues um 1960 in seiner Heimat Amerika nur noch als weltfremdes Ideal einer weißen Bildungselite, so sickerte er zur selben Zeit als Contrabande von Geschmacksfreibeutern und Klangterroristen in Irland und England ein. Van Morrisons Vater, ein Hafenarbeiter, hörte lieber Leadbelly oder Hank Williams als toupierte Schlagertussis und gab diese Leidenschaft an seinen Sohn weiter. Mick Jagger und Keith Richards dachten als Kinder, Big Bill Broonzy sei der letzte Überlebende einer seltsamen Rasse - eine Art Pandabär - zum Aussterben verurteilt. Also entschlossen sich all over Great Britain eine Handvoll Jungspunde zu einer Rettungsaktion. In jeder größeren Stadt gab es bald einen Club, wo man solch fehlgeleitete Teenager samt ihren kettenrauchenden Mentoren den Rhythm und den Blues tun ließ; doch wenn letztere bereits zufrieden schienen, wenn ein Chris Barber oder ein Dave Brubeck Hitparadenluft schnüffeln durften, wollten die Youngster mehr.
     Ein völlig unpassend zusammengewürfeltes Sextett um den Sänger Mick Jagger und zwei Gitarristen namens Brian Jones und Keith Richards nahm schließlich 1963 diese Bluessache selbst in die Hand. Richards formulierte damals sehr treffend, daß Negermusik nur deshalb keiner hören wolle, weil deren Macher alle alt, häßlich und schwarz seien. Also eliminierten die ansehnlichen Taugenichtse alles Alte und hellten manches Schwarze auf; vor allem fummelten sie am oft gemächlichen Tempo ihrer Helden, schraubten ein wenig am Auspuff herum, packten ordentlich Hysterie in den Tank und legten schließlich einen Kavaliersstart hin, dessen Bremsspur heute noch nach verbranntem Gummi riecht: das titellose Debüt der Rolling Stones.
     Der Blues hatte plötzlich wieder ein Gesicht: das eines ausgemergelten Erstsemesters aus Dartford. Einen toten Gitarristen und zwei Manager später wird es den Rolling Stones sogar gelingen, den Blues nicht mehr nur teenagerkompatibel zu gestalten, sondern ihn abzulegen wie einen lästigen Kokon: und heraus schwebt, nein, schleicht, wütet, marodiert ein völlig neuer Blues, der Blues des "Midnight Ramblers", ein dekadenter Blues, der alle Drogen und Perversionen überstanden hat, sarkastisch, böse, blutig, fremd, so fremd wie ein Alien '2000 Light Years From Home'. Und genauso faszinierend.
     Wir kommen einfach um die paar essentiellen Zentimetern Rolling Stones in unserer unbefleckten Plattensammlung nicht herum, auch wenn heute VW-Arbeiter zur Verbesserung des Betriebsklimas 'You Can't Always Get What You Want' summen müssen: Da brauchen wir neben dem Debüt noch die widernatürliche Verschmelzung von Robert Johnson und Velvet Underground namens 'Beggar's Banquet', dessen Desert - halb nekrophile Pizza, halb heroinsüße Geburtstagstorte - 'Let it Bleed' und schließlich noch die zum Völlegefühl passenden Alpträume von 'Exile on Main Street'.
     Mit diesem Stonesschen Quartett ist man musikalisch im Herzen der Rockmusik verankert, als habe man den hölzernen Pflock höchstselbst dort hineingetrieben. Vor allem "Exile..." ist mehr als nur eine Schallplatte: Sie ist Vinyl gewordene Zeit. Sie ist Sittengeschichte und das Beste aus zwei Welten und Zeiten. Schnatternder Blues in weitläufigen Schloßparks, klappernde Gerippe mit diamantenem Gebiß, kalte, feuchte Kellergewölbe voller Geschmeide, Spermaflecken auf Satin, leere Spritzen in Marmorbadewannen. Der Champagner in die Flaschen schon abgestanden. Verkaterte Sünder heulen den lieben Gott um Vergebung an, während ihre Hände minderjährige Mädchen befingern. So tönt das für mich beste Album der Rockgeschichte.

15
THE ROLLING STONES
'The Rolling Stones' (1964)

 

 

 

 

 

16-18
THE ROLLING STONES
'Beggar's Banquet' (1968)
'Let it Bleed' (1969)
'Exile on Main Street' (1972)

 

 

 

 

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