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Die sechziger Jahre brachten es an den Tag: Popmusik
litt unter einem Minderwertigkeitskomplex. Teenagermusik, gut und
schön, aber was ist mit Richard Wagner, mit Mozart, mit - letztes
Entgegenkommen - Gershwin? Menschheitsprobleme, Subventionstheater,
staatstragende Wichtigkeit? Magisterarbeiten, Wochenendseminare, ein
eigener Lehrstuhl? Jemand mußte die intellektuelle Drecksarbeit tun
und der Rockmusik die große Form erschließen; The Who verrannten
sich mit 'Tommy', Obertüre, Untertüre, Film und kein Ende. The
Small Faces bestellten ein rundes Cover und verpackten darin 'Ogden's
Nut Gone Flake'. Die Beatles filmten; die Rolling Stones
eröffneten einen Zirkus. Warhol projizierte seine Filme auf die Leiber
von Nico und Lou.
"But who could imagine it would happen
in Hollywood?" Frank Zappa war neidisch darauf bedacht, daß seine
Platte mit den Mothers of Invention, programmatischer Titel:
'Freak Out', als erste Platte des schlagartig erwachsenen Undergrounds
erschien. Und Frank hatte nicht nur "money at the bank", sondern auch
Recht. Er hatte da etwas ganz besonderes. Was die anderen nur andeuten
konnten. Wo die anderen in Konventionen steckenblieben oder sich der
Doktrin eines Pop-Artisten wie Andy Warhol unterwerfen mußten, da
entwickelte der spitzbärtige Bube eine im Pop noch unbekannte, eine
außerhalb des Pop nur geahnte Kunst-Form. Er organisierte seine Kompositionen
nach seinen nostalgisch anmutenden Tanzmusikvorlieben, aber auch nach
Methoden und Mustern zeitgenössischer E-Musik-Komponisten, ohne daß
daraus ein beflissener Schmarrn wurde. Die überdrehten Sound- und
Vortragseffekte der Fünfziger-Jahre-Novelty-Hits verband er mit suitenhaft
angelegten Großkompositionen, hoppelte besessen durch den Stereoraum,
integrierte Hörspiel und Satyrspiel: "Freak Out"!
Die Platte nimmt einen langen Anlauf
durch gelungene Teenie-Balladen und Rock'n'Roll-Parodien, sschüttelt
etwas Gesellschaftskritik aus dem Ärmel, tut harmlos, bis Zappa im
11. von 14 Songs diese eine Frage stellt: "You're Probably Wondering
Why I'm Here?" Danach bricht die Hölle über die Popgemeinde herein,
zerplatzt Zappas neue Musik in Herzen und Hirnen. Ein langer, frenetischer,
negrophiler Polit-Rap - 'Trouble Every Day' - wird gefolgt von dem
erst virtuosen, dann szenisch aufgelösten, verfremdeten Geniestreich
'Help I'm a Rock', um mit der Synthese 'The Return of the Son of Monster
Magnet" zu schließen: Macht zusammen 27 der besten Minuten die Frank
Zappa - und damit die Popmusik - zu bieten haben. Unverzichtbar. Gehirnsex.
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FRANK ZAPPA / MOTHERS OF INVENTION
'Freak Out' (1965)
Genrecheck:
Underground
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