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"Brand New You're Retro" Teil 1 : 2 : 3
Abteilung 17, in der England endlich wieder einmal so richtig ins Zappeln gerät und danach alles schöner und bunter und bekiffter ist  
  Britpop, ich weiß. Kommt hier eigentlich nicht vor. Inselmenschen, die Gitarren halten und zwei Small-Faces-Melodien nachpfeifen können. Nicht wirklich. Nicht in diesem Buch. Es haben ja nicht einmal The Fall oder John Lennon oder die Kinks oder Wire einen Eintrag geschafft - und die waren GROSS. Die Smiths oder Blur oder Verve kämen vielleicht in meiner Single-Hitparade vor, aber nur unter den besten Tausend, wenn überhaupt. "Britpop - more like Shitpop!" ließ Alan McGee 1996 in einer Anzeige verlautbaren, und der ist immerhin Label-Boss von Creation und damit Arbeitgeber von all diesen tollen Oasis-Buben und muß wissen, worauf er schimpft. Nein, seit 1982 hat die Insel keine großartige Gitarrenband mehr hervorgebracht: eine Million Versuche, kein Treffer. Die Verkaufszahlen sprechen Bände. Acid irgendwer?
     Höre ich Acid? Acieeed? Frohen Montag wünsche ich auch. Und während die Rastas in Brixton grantelten, daß sie in Babylon nicht den selben feinen Sound hinbekämen wie in Kingston Town und Techno immer härter und finsterer und fieser wurde und HipHop aus England eher eine Lachnummer abgab, da zog der Zauberer von Pop das Jungle-Karnickel aus dem Hut, sagen wir: 1993. Und der neue 'Sound of the Underground' mit seinen zersplitterten Beats und sich überschlagenden Rhythmen, mit den phetten Bässen und den weit-breit-seichten Klangflächen zog die Tänzer magisch an, weiß, schwarz, gut gekleidet, Party People, nur um sofort wieder zu mutieren, zu Drum'n'Bass zu werden, die logische Verknüpfung von schnellen Rechnern und gutaussehenden Tänzern.
     Tagaus, tagein nudelten Londons Piratenradiostationen Drum'n'Bass und in seiner kleinen Wohnung war der Gitarrist Derek Bailey schon ganz entnervt: Nichts anders mehr kam aus seinem Transistorradio; alles wurde von dem Geschepper übertönt, das ewig Anlauf nimmt, loshetzt, stolpert, sich überschlägt und mit Lichtgeschwindigkeit durch den Äther purzelt, immer Richtung Derek Bailey, immer heraus aus den Lautsprechern - wie nebenbei nahm der Erfinder der englischen Schab-und-Kratzschule seine improvisationsgestählte Gitarre zur Hand und klinkte sich ein, nudelte, dudelte, sprudelte mit, kombinierte die verbotene Gitarre mit den superkorrekten Beats, wurde richtig funky dadurch - und ehe er wußte, was los war, stand er in New York mit einem DJ auf der Bühne und improvisierte, ging er mit Bändern des DJs Ninj ins Studio und nahm die verwegene Kombination von Improvisationsmusik (vulgo: Free Jazz) und Drum'n'Bass auf, die als 'Guitar, Drums 'n' Bass' erschien und ein ganzes Heer von Jazzmusikern zu der Überzeugung brachte, daß es besser ist, zweitklassigen Drum'n'Bass zu machen als drittklassig auf dem Saxophon rumzuröhren: Aber selbst Aspirin hat Nebenwirkungen. Ich genieße es, wie der Purist sich an den eklektischen Rhythmuskaskaden abarbeitet, wie er stürmt und drängt und hitzig wird im Fieber der Beats, wie er zürnt und grollt und stänkert: alter Gitarren-Zeus.

Genrecheck:
Acid

 

 

 

 

 

 

Genrecheck:
Drums'n'Bass

 

 

 

 

 

 

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DEREK BAILEY
'Guitar, Drums'n'Bass' (1996)

 

 

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