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Abteilung 17 (Fortsetzung) Teil 1 : 2 : 3
  Wieso heißt ausgerechnet jene Musik Weltmusik, die auf der ganzen Welt immer nur ein paar Heinzen interessiert? Dabei gibt es auf diesem Planeten genau zwei Weltmusiken, nämlich Pop - und Klassik, dieses untote Gedaddel aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Indische Sitar-Artisten, bekiffte Trommler aus dem marokkanischen Bergland oder Virtuosen auf der japanischen Koto-Zither machen entweder eine zu komplexe oder eine zu regionalspezifische Musik, um außerhalb des eigenen, meist eng definierten Kulturkontexts von uns Kulturimperialisten überhaupt wahrgenommen werden zu müssen: Selig die Spezialisten; alle anderen hören Michael Jackson, weil der eine planetarische Cola-Sprache spricht, die so klar und wahr funktioniert wie Pampers oder ein Transistorradio, d.h. durch ihre axiomatische Richtigkeit sofort und ohne Gebrauchsanweisung oder ideologische Verrenkung in das alltägliche Leben selbst des letzten Südseeinsulaners zu integrieren ist. Von ganz besonders debiler Häßlichkeit sind dagegen Versuche, Popmusik mit indigenen Formen der Musik zu kreuzen: Das beginnt bei den Zillertaler Schürzenjägern und hört bei indonesischer Dangdut-Musik auf, in der fundamentalistische Texte zu Hardrock-Gedöns die jungen Muslimen-Prolos auf die anderen Ethnien des Landes hetzen.
     Die einzige weltweit relevante Regionalvariante von Popmusik war in den siebziger und achtziger Jahren Reggae, dessen ganja-umwölkte Karibik-Slowness gleichermaßen Boney M an die 'Rivers of Babylon' trieb wie The Slits zu tribalistischen Echokammer-Feminismus für den Underground befähigte, während Eric Clapton ewig und drei Tage lang den Sheriff erschoß. Im Vergleich zu den stolzen Dreadlocks galten Britanniens indische und bengalische Zuwanderer als komplette Pop-Versager, als Weicheier, die sich von Skinheads verhauen ließen und den ganzen Sonntagnachmittag in ellenlangen indischen Schnulzenfilmen hockten. Stimmt zwar nicht ganz: Bereits Ende der achtziger Jahre entwickelte sich eine wilde bengalische Crossover-Diskotheken-Kultur, deren Bhangra-Sound mildes "weltmusikalisches" Interesse bei Besuchern von Sanyassin-Diskotheken herrief; sie blieb aber auf die gerüchteweise ziemlich ekstatische Londoner Bengali-Szene beschränkt.
     Erst die Tanzwut der ausgehenden neunziger Jahre und die entspannte, freundliche E-thmosphäre Londons förderten eine selbstbewußtere Bengali-Musik zu Tage, die sich mal fundamental-oppositionell geriert wie bei Asian Dub Foundation, lockere Sommerhits ausspuckt wie Cornershop oder eben die äußerste Krone der Trendwellen reitet wie Talvin Singhs Anokha-Abende in den angesagtesten Clubs der Stadt, vor denen wir Touristen stundenlang warten müssen, in der Plastiktüte 'Anokha - Soundz of the Asian Underground'. Dort hören wir ambiente Klänge und Drum'n'Bass, Melodielinien, die an indische Historienschinken erinnern, Samples von Flughafendurchsagen und Handy-Gepiepse, dazu digital und manuell getunte Tabla-Sounds, curry-flavoured rhythms, oder wie Talvin Singh es nennt: "Asiatischer Soul des 21. Jahrhunderts, soll heißen: die Stimme eines 14jährigen Mädchens im Radio, die eine R & B-Nummer auf Hindi singt und dabei asiatisch intoniert und deren Haltung asiatisch ist; britisch-asiatischer Underground auf dem Weg an die Oberfläche."
     Wenn wir den Club wieder verlassen und wieder zu Hause sind mit unserer 'Anokha'-Compilation, wird sich erst einmal Ernüchterung einstellen. Gerade bei dieser Musik macht es einen essentiellen Unterschied, ob einem die Bässe mit mehreren tausend Watt in jede Körperhöhlung gepreßt werden und die dichtgedrängten Körper einen mitnehmen, weiterwälzen, hin- und herreiben zwischen westlichem Pop und östlichem Soundhybrid - oder ob man bei Zimmerlautstärke den Abwasch macht. Die an- und abschwellenden Patterns, die klöppelnden Handtrommeln, die sich verschluckenden Sounds müssen erst noch ihren Platz finden im hiesigen Leben, sind hier noch viel fremder als in Großbritannien. Aber warum höre ich sie dann andauernd, im Auto, beim Aufräumen, beim Zeitunglesen? Vielleicht ist es wie mit dem Geruch eines Gewürzsträußchens, das man widerwillig als Geschenk angenommen hat? Oder es verhält sich wie mit Rauch aus der Pfeife eines Gastes - der süßliche Duft hängt sich ein, wird schließlich nur noch wahrgenommen, wenn er fehlt. Also soll die 'Anokha'-Compilation der ungeklärte Fall in unserer Sammlung sein, das Versprechen eines Landes, in dem die Völker und Rassen langsam aber sicher entspannt zusammenleben können - während bei uns Parteien immer noch damit werben können, sie seien "inländerfreundlich".

Genrecheck:
Reggae

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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VARIOUS ARTISTS
'Anokha - Soundz of the Asian Underground' (1997)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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