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Es schneit aus dem Radio. Heutzutage kriegt man Frostbeulen
vom Drehen am Sendersuchlauf. Rockmusik wird verachtet. Country ist
blöd. Country Rock hören bloß ergraute Pferdeschwanz-Typen, schließlich
hat ein neues Jahrzehnt begonnen, vorwärts also und das schnell. Da
körnt sich grob eine schwarzgraue Masse aus den Lautsprechern, tropft
zu Boden, bildet Sound-Tümpel. Und aus diesen öligen Farbflecken steigt
langsam, langsam, quälend langsam, eine neue, unerhörte, unglaublich
langsame - Musik, so schlapp, so durchlöchert und notgestopft wie
die ältesten Socken eines Kuhtreibers: 'Around the Horn' von
der Chicagoer Combo Souled American. Die Saiten hängen schlaff
und ungestimmt an den Hälsen von Gitarre und Baß; letzterer nimmt
notgedrungen die Melodie bei der Hand und führt sie durch das gelegentliche
Pling und Plong von halber Note zu ganzer Pause, während Cannabis-Qualm
den Blick auf die Notenblätter unmöglich macht. Dazwischen, alle drei,
vier Nummern mal, plötzlich verqueres Up-tempo, komische Metren, twängende
Gitarrensounds. Aber bald schon, gottseidank, lehnt die Band sich
wieder entspannt zurück, alle ziehen nochmals an der Wasserpfeife,
und der Sänger quäkt im verzerrten Country-Falsett von Liebesleid
und Lebensfreud: Alles in allem klingen Souled American, als
habe man eine Cassette der Stills/Young-Band zu lange in der
Sonne liegengelassen - aber, seltsam: Nach kürzester Zeit will man
gar nichts anderes mehr. Tief einatmen, Luft anhalten, Augen schließen:
pfffff. Ich höre Farben, ich sehe Töne, pffffff. Cool. |
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SOULED AMERICAN
'Around the Horn' (1990)
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