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Blues. Schwarze Musik. Weiße Musik. 1998 hat ein dunkelhäutiger
Brite mit Namen Tricky seine große Blues-CD abgeliefert. Sein
95er Debüt 'Maxinquaye', benannt nach seiner früh verstorbenen Mutter,
war noch unsicher stolperndes Ausprobieren, obwohl es gleich zu zahlreichen
Preisen und Goldenen Schallplatten reichte: zu frisch und neu war
Trip Hop, um die fetten, langsamen Beats, die ungewohnten Samples
und den gespenstischen Gesang nicht für revolutionär zu halten. In
den drei Jahren zwischen 'Maxinquaye' und 'Angels With Dirty Faces'
hat sich Trip Hop zur Masche gewandelt und Tricky sich zu einem Fast-Gott
erklärt: Ein Anspruch, den er einzulösen weiß - denn nur ein Gott
kann wissen, welche Engel schmutzige Gesichter haben. Und Trickys
Engel tragen die Züge von Billie Holiday, die in den Texten immer
wieder präsent ist, als Name, als Melodie, als Baß-Figur. Tief taucht
Tricky hinunter in düstere Höllen der Drum'n'Bass-Welt, die Trip Hop
abgelöst hat als next big thing - und selbst schon wieder bedrängt
wird durch Speed Garage oder Big Beats. Links und rechts öffnen nahezu
subsonische Bässe die Pforte in diese Unterwelt; eine hysterische
Wah-wah-Gitarre kommt heraufgeschossen, um uns abzuholen. Überall
sind Stimmen, Töne, Sounds und Rhythmen auf Folterbänke gespannt und
werden gebogen, gedehnt, gezerrt. Um das finstere Zentrum dieser Tricky-Unterwelt
kreisen Dub und Soul und immer wieder der Blues, der alles einsaugende,
ausspeiende Blues, der einen Marc Ribot an der Gitarre verträgt und
eine Polly Jean Harvey so singen lassen kann, daß man fast wieder
an den Gott des Alten Testaments glauben möchte: deep gospel für das
nächste Jahrtausend. Tricky ist gefährlicher geworden, mutiger, psychotischer
und seine Musik hat mit seinen verbalen Attacken auf Macht-Mechanismen
und Ungerechtigkeiten mitgehalten. Amiri Baraka, einst Black-Power-Dichter,
jetzt Kommunist in New Jersey, hat einmal gesagt, daß man Weiße fette
Schweine nennen dürfe, die geschlachtet gehören und Neger dumme Arschlöcher
- irgendwer fände dies gewiß schick und radikal und irgendwie toll
gruselig. Aber wenn man damit anfängt, die Machtverhältnisse zu analysieren,
Namen zu nennen und Zusammenhänge aufzuzeigen, dann sei Schluß mit
lustig. Tricky macht genau dies, attackiert Trittbrettfahrer wie Finley
Quaye und rassistische Executives bei den Plattenfirmen; er liebedienert
auch nicht bei der britischen Musikpresse herum: Und schon findet
man dort 'Angels...' zu düster, zu altmodisch, zu übel gelaunt. Fünf
von zehn möglichen Punkten und eine Menge dummer Ratschläge vergibt
etwa der New Musical Express: weiße, fette Schweine, die geschlachtet
gehören... |
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TRICKY
'Angels with Dirty Faces' (1998)
Genrecheck:
Trip
Hop
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