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Frippertronics nannte sich dagegen eine Musik, die unspektakulär
und leise und beiläufig daherkam und manchmal gern so debil und strohdumm
gewesen wäre wie Motörhead. Und im selben Moment die ganze
Aufmerksamkeit verlangen wollte. Frippertronics entstand, wenn der
britische Gitarrist Robert Fripp seine Gitarre einstöpselte
und Mischpult und Bandmaschinen den Rest erledigen ließ. Da klangen
kleine, sich wiederholende Gitarrenfiguren auf, mit denen der Meister
live interagierte und die er als 'Let the Power Fall' ins Regal
schmuggelte: mit der ganzen Autorität eines Rockstars, der mit King
Crimson bereits Geschichte geschrieben hatte und sich nun anschickte,
die Welt ein zweites Mal zu erobern. Frippertronics waren gewissermaßen
die Schnittstelle der seinerzeit gerade aufkommenden New Wave und
den Weiten jenes stillen Klangozeans, den die Brian Enos dieser Welt
auf einem Dampfer namens "Ambient" bereisten. Die pointilistischen
Klangtupfer auf 'Let the Power Fall', die ihren Ursprung als Gitarrensound
nur erahnen lassen, sind ein passendes Beispiel für die Fripp'sche
Sehnsucht nach einem Publikum, das es zu schätzen weiß, wenn jemand
nicht klug und witzig und genial sein will.
Und wie es eben so ist: All die klugen
und witzigen und genialen Platten der Jahre um 1980 tragen heute ihre
bemoosten Witzbärte zum Secondhand-Dealer, während Robert Fripps simplizistisches
Werk mit seinen kargen und synthetisch erscheinenden Soundscapes dasteht
wie die zweidimensionale ARD-Eins inmitten der lächerlichen 3D-Animationen
unserer Fernseh-Gegenwart: nämlich supercool. Und während sich im
Hintergrund mählich die Spulen der beiden Revox-Bandmaschinen drehen,
zu deren Crescendi und Decrescendi der etwas spitzmäusige Fripp seine
Saiten anschlägt, kann oben erwähnter Welteroberungsplan des Robert
Fripp kurz nachgereicht werden: 1974 hatte Fripp seine Gruppe King
Crimson aufgelöst und die Nähe des notorischen Experimentalisten
Brian Eno gesucht, der zugegebenermaßen damals im Vollbesitz seiner
drei Einfälle war und Fripp die progressiven Flausen der frühen Jahre
aus- und die Zukunftsträchtigkeit von Maschinenmusik und kybernetischen
Konzepten einredete. So kehrte zu Zeiten von Punk und New Wave, als
jeder Mensch von Verstand und Geschmack einen Rick Wakeman zum Frühstück
verspeiste, ein ProgRocker von seltenen Gnaden in die Öffentlichkeit
zurück, um ihr einen Drei-Stufen-Plan vorzustellen:
1) mit avantgardistischen Solo-Unternehmungen im kleinsten Rahmen
Profil und Selbstdisziplin beweisen,
2) im Kontext der New-Wave-nahen Band The League of Gentlemen
die Trendsetter und Opinionleader von der eigenen Modernität überzeugen,
3) ein fulminantes und populäres King-Crimson-Comeback zu inszenieren,
das die Möglichkeit unterstreicht, phantastische Rockmusik, mitreißende
Konzerte vor großem Publikum, Hitsingles und street credibility zu
vereinen.
Robert Fripp gelang all dies mit leichter Hand und toller Musik, und
wer zwischen 1980 und 1984 nicht zu engstirnig war, um sich einen
Auftritt des puterroten Königs anzuschauen, wird sich erinnern, wie
vertrackt und vertraut, wie cool und engagiert die vier Musiker mit
ungeraden Metren, langen, komplizierten Textzeilen und den gerade
angesagten Versatzstücken der Moderne umzugehen wußten. Heute werkelt
eine weitere Inkarnation von King Crimson am eigenen Nachruhm,
aber die selbstverständliche Richtigkeit der frühen achtziger Jahre
ist ihr abhanden gekommen - wie auch Fripps heutige Solo-Musiken bemüht
und epigonal wirken im Vergleich zur reinen, technischen Schönheit
und Klarheit, mit der er während seines zweiten Frühlings ums Haar
die Revolution gewonnen hätte. |
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ROBERT FRIPP
'Let the Power Fall' (1981)
Genrecheck:
Ambient
Music
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