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Verwandt, verschwägert mit Tortoise waren Gastr
del Sol, ein Duo, das dem Experimentalkomponisten Jim O'Rourke
und dem gewesenen Punkrocker David Grubbs eine Projektionsfläche bot
für eine neue, im Wachsen begriffen Musik. Und sich auflöste, als
mit 'Camoufleur' die Arbeit getan, die perfekte CD eingespielt
war. Schon der Titel deutet es an: Die Wörter camouflage und fleur
verschmelzen - ein verhüllendes, etwas verschlagenes Wort und ein
sich öffnendes, der Schönheit verpflichtetes. So ist auch die Musik
von Grubbs und O'Rourke auf dieser endgültigen CD: Aus einer Weltabgewandtheit
nach zuviel Rock, Lärm und Extrovertiertheit, die sich in unfertiger,
kleinformatiger und zerstreut wirkender Gitarrenmusik äußerte, erspielten
sich Gastr del Sol CD für CD eine eigene Ästhetik, um schließlich
nach all den Umwegen und Selbsttäuschungen als 'Camoufleur' aufzublühen
und die Welt zu umarmen. Dabei enthält 'Camoufleur' keinen einzigen
Kompromiß: Die verzinkten, manchmal von hinten durchs Knie gedachten
Tonfolgen der Gitarren leiten sich aus den früheren Arbeiten her;
David Grubbs' dünne Stimme sinniert abseits aller Tonalität; die Produktion
bleibt intim und introvertiert. Und doch reicht ein Rhythmus die Hand,
erklärt eine zufällige Sprachaufnahme die immanente Kommunikationsproblematik,
an der vielleicht auch das Duo zerbrochen ist, lächelt freundlich
eine Melodie. Mehr noch als Tortoise ist Gastr del Sol
post-irgendwas; die quasi-kubistische Bleistiftzeichung auf dem Cover
unterstreicht die Zersplitterung, die Nicht-Eindeutigkeit der Betrachtungsweise
- und wem das alles zu "interlektuell" klingt (O-Ton Leserbrief-Beschimpfung),
der kann 'Camoufleur' nutzen als wunderfeine Musik an einem sonnigen
Morgen; heißer Kaffee steht auf dem Tisch, Croissants, die Sonne blendet
nur ein wenig durch blühende Jasmin-Sträucher, ja, so eine Musik ist
das, so eine CD. |
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GASTR DEL SOL
'Camofleur' (1997)
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