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Einer der 'Anthology'-Musiker hieß Dock Boggs
und hauste zu Zeiten seiner Wiederentdeckung in Norton, Virginia.
Als er 1963 von den Folkies aufgespürt wurde, kehrte der ehemalige
Minenarbeiter, Schnapsbrenner und Raufbold zur Musik zurück, die er
Jahrzehnte zuvor auf Geheiß seiner Frau wegen "Gottlosigkeit" aufgegeben
hatte, um anschließend jahrelang ziellos mit dem Auto durch die Berge
zu rasen, auf der Suche nach jenem Etwas, das er mit seiner knochentrockenen,
biestigen und cholerischen Musik hatte ausdrücken können und dem jetzt
das Ventil fehlte. Der weiße Blues des Dock Boggs ist der albinöse
Bruder von Robert Johnsons Musik, geht ihm zwar ein Jahrzehnt voraus
und tönt nach englischen Balladen und nach Banjo, aber die Abgründe,
in die wir blicken, stehen in Schwärze und Tiefe den Kohlenschächten
der Appalachen nicht nach, in denen Dock schon zu Kindertagen geschuftet
hat. Einer von Boggs Biographen merkt mit Recht an, daß sein lustigster
Song davon handelt, wie eine Frau von der riesigen Pranke ihres Gatten
erstickt wird: soviel zu der Frage, ob generell ein Weißer den Blues
singen könne - eine Frage, die nur von Roger-Chapman-Fans gestellt
wird, um dann von Joe-Cocker-Fans bejaht werden zu können.
Bis 1971 konnte man Dock Boggs Finsternis
bei Konzerten erleben; heute bleibt nur die nicht ganz leicht erhältliche
CD 'Country Blues' mit allen Aufnahmen aus den zwanziger Jahren,
das beste Mittel gegen Selbstmordgedanken.
Bald gab es in Neu-England mehr Banjo-Spieler
als Ingenieure: Das Folk Revival hatte sich durchgesetzt und bescherte
der Welt neben allerlei Kunsthandwerk auch ebenso unterhaltsame wie
perfekte Retro-Musikanten wie die New Lost City Ramblers, Dave
van Ronk oder Eric von Schmidt. Altlinke wie Woody Guthrie und Pete
Seeger wurden ob des Staubes auf ihren Schuhen zu Studenten ehrenhalber
erklärt. Was die Studenten auf ihren Reisen durch den Süden erlebten,
was sie von ihren neuen Freunden hörten, führte dann in den sechziger
Jahren zu einer direkten und innigen Verknüpfung von Musik und Bürgerrechtsbewegung,
von guter Sache und guter, anständiger Musik, die erst Bob Dylan mit
seiner elektrifizierten Attacke auf die Aristokratie der Wohlmeinenden
beim 65er Folkfest in Newport torpedierte. Und Dylan selbst mußte
dreißig Jahre älter werden, um auf den zwei kargen, mutigen Platten
'Good as I Been to You' und 'World Gone Wrong' jene Musik nochmals
und gar nicht museal und endlich erwachsen geworden für eine neue
Generation auszubreiten: daß er dabei klingt wie Dock Boggs kann kein
Zufall sein. |
Genrecheck:
Folk-Revival
13
DOCK BOGGS
'Country Blues' (1997)
14
BOB DYLAN
'Good as I Been to You' (1992)
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