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Den coolsten Beitrag Kanadas zur Geschichte der Rockmusik
lieferte ein Haufen bärtiger Zausel aus Toronto (okay, der Schlagzeuger
kam aus Arkansas). Sie waren noch Teenager, als der zweitklassige
Reserve-Elvis Ronnie Hawkins sie anheuerte, um seinen selbsternannten
Platz als King of Rockabilly im frei gewählten kanadischen Exil zu
untermauern. Bei Hawkins lernten Robbie Robertson, Levon Helm, Garth
Hudson, Rick Danko und Richard Manuel das Rock-Repertoire der frühen
sechziger Jahre rauf und runter zu spielen; sie lernten Bordelle kennen,
Hinterwäldlerspelunken und schlimme Clubs, aber hart und zynisch wurden
sie deswegen nicht. Reinen Herzens waren sie und wollten mehr, wollten
dem Geheimnis hinter dem zeitgenössischen Teenagerlärm auf die Spur
kommen. Also nahmen sie Bob Dylans überraschendes Angebot an, ihm
dabei behilflich zu sein, das eigene Folkie-Denkmal zu verbrennen
und die Welt mit elektrifiziertem Dylan-Rock zu überziehen. Mit Bob
Dylan veränderten sie den Lauf der Welt. Mit Dylan standen sie im
Gefolge des skandalösen Newport-Auftritts - als Folk-Guru Pete Seeger
die Stromkabel für den elektrifizierten Dylan mit der Axt kappen wollte
- eine der am aggressivsten und feindseligsten aufgenommenen Tourneen
durch, der sich Pop-Musiker bis dahin unterzogen hatten: "Verräter!"
war noch das Freundlichste, was ihnen von zu jeder Randale bereiten
Puristen im Publikum zugerufen wurde. 1967 zogen sie sich mit Dylan
als The Band in die Nähe von Woodstock zurück, um privatissime
an der amerikanischen Musik der Zukunft zu basteln. Und ihr Keller-Krach
erlangte als Raubpressung eine solche Verbreitung, daß Ausschnitte
davon 1975 als 'The Basement Tapes' in den offiziellen Bob-Dylan-Kanon
überführt wurden - und nun auch noch in unseren popmusikalischen Musterkoffer,
wo ihr fröhlich-anarchischer Weltuntergangsplingplong noch heute zu
endlosen Diskussionen über den Sinn des Lebens, die Besonderheiten
der amerikanischen Seele und die Schönheit des Rock'n'Roll anregt.
Was für ein Monster! |
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BOB DYLAN & THE BAND
'The Basement Tapes' (1975)
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