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Abteilung 9 (Fortsetzung) Teil 1 : 2 : 3 : 4
  Zum Stichwort Drama haben die neunziger Jahre noch einen Musiker zu bieten, der auf dem bisherigen Höhepunkt seiner Karriere einem Wilson, einem Parks das melodramatische Wasser reichen konnte: Mark Eitzel, der Vorsitzende des American Music Club. Diesen Höhepunkt erreichten die Clubberer 1993 mit dem Album 'Mercury'.
     Man stelle sich vor: Moll. Crescendi. Decrescendi. Streicher. Bläser. Kunstpausen von epischen Ausmaßen. Dazu eine greinende Stimme, die einem schon beim ersten Hören die Illusion raubt, diesem Sänger könne noch geholfen werden. Nein, wer könnte helfen, wenn jemand seinen Musikverlag 'I Failed in Life - Music' nennt und Lazarus bedauert, weil der ein zweites Mal leben mußte? Und doch will Mark Eitzel errettet werden, klagt er flehend 'When Will You Find Me?', während er mit seinem gnadenlosen Gott abrechnet, mit der Welt sowieso und mit allen Engeln im Himmel und scheiß auf den Teufel: Dantes 'Inferno' als Nummernrevue. Diese ganz großartige Kakophonie des Weltschmerzes, der Eitelkeit, der Selbstverliebtheit und des Größenwahns mag nur jene zu fesseln, die selbst nicht ganz frei von der einen oder anderen Todsünde sind - also jeden von uns. Und wenn sich Eitzels Daumenschrauben der Seelenpein so fest angezogen haben, daß er nur noch winseln kann, dann legt er seine Arbeit zu Füßen des Schnulzenkönigs Johnny Mathis nieder und führt einen imaginären Dialog mit ihm - so wie die Propheten des Alten Bundes mit ihrem Herrengott geredet haben mögen: "Sprich, Meister, wie kann ich weiterleben?" Und der HErr, hier in der Verkleidung eines abgehalfterten Schlagerstars, antwortet: "Lerne, hinter Seide und Amphetamin zu verschwinden. Du bist bereits auf dem rechten Weg, doch benimmst du dich immer noch wie ein Lamm, das dem Metzger in die Klinge springt. Ein echter Showstar aber lernt den großen Verschwindetrick." Und Mark Eitzel ging hinaus zu den Söhnen Kaliforniens und löste seine Band auf, um fürderhin nicht mehr ganz so superklasse Soloplatten zu machen und in noch kleineren Clubs als zuvor zu spielen. Amen.

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AMERICAN MUSIC CLUB
'Mercury' (1993)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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