|
Gegen solche Operetten kann jetzt nur noch eine Operette
helfen, etwas Leichtfüßiges, Beschwingtes, das kein großes Sinnen
und Grübeln verlangt, sondern Champagner einfordert: schöne Musik
von schönen Menschen für schöne Menschen. Und wer schielt, eine schiefe
Nase hat oder humpelt, ist der Bösewicht. Wer eine dermaßen ideale
Plattensammlung sein eigen nennt, wie sie sich hier langsam abzeichnet,
der hat auch keine Angst vor scheelen Blicken, die einem absolut unhippe
und peinliche Platten einhandeln könnten. Eine Handbewegung, ein Knopfdruck,
ein paar klärende Sätze, und schon wird aus einer vermeintlichen Geschmacksverirrung
ein veritables Exponat des Subtilen. Warum ich mir nach 'Surf's Up'
oder 'Mercury' am liebsten 'The Velvet Rope' von Janet Jackson
auflege? Weil mich das Joni-Mitchell-Sample aus dem Single-Hit 'Got
Til it's Gone' in dieses Album hineingelockt hat, dazu das surreale
Video zu diesem Song: Janet Jackson auf einem südafrikanischen Männerklo
- da stimmt doch etwas nicht? Janet in einem lesbischen Dialog, Janet
tritt offensiv für Schwule ein. Janet hängt - nicht gefesselt, denn
das ginge dann doch zu weit für die Hitparaden - an einer Lederkordel.
Janet in Latex und Leder. Janet mit einer Tätowierung am sehr verlängerten
Rücken. Das dümmliche, sexistische Spiel mit ihren Brüsten fehlt gänzlich,
dafür sieht sie auf dem Cover aus, als warte sie auf dem Arbeitsamt
auf einen Stempel: 'Twisted Elegance'.
Natürlich kommt es dann nicht so schlimm,
so realistisch: Wir dürfen eher Aschenputtel-Träume teilen denn Sozialreportagen.
Aber sie sind gekonnt inszeniert; manche Songs erreichen spielend
Prince'sche Qualitäten, nein, übertreffen sie sogar, weil Prince schon
lange nicht mehr weiß, wie man Hits schreibt, wie man ein bißchen
Drum'n'Bass, ein bißchen Techno, ein bißchen HipHop mit genau der
richtigen Dosis Massenakzeptanz verrührt, um den ganz großen Wurf
zu landen. 'The Velvet Rope' - so ist das also, wenn Superstars von
Selbstverwirklichung träumen: glitschig, süß, prickelnd. Eine Operette.
|
37
JANET JACKSON
'The Velvet Rope' (1997)
|