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Wie beim Blues, wie bei
Techno oder Punk ist es ohne weiteres möglich, sich die ganze Bude
wandhoch mit "unentbehrlichen" Country-Platten vollzuknallen und ein
Buch darüber zu schreiben, achtmal so dick wie dieses hier. Aber wenn
wir die Popgeschichte auf kleinster Flamme zur unentbehrlichen Ursuppe
eindampfen, so werden in dieser Buchstabensuppe immer ein H, ein A,
ein N und ein K herumschwimmen, dazu alle anderen Konsonanten und
Vokale, die man braucht, um Williams zu buchstabieren: Hank Williams.
Wie alle Großen war auch Hank Williams
Eklektiker. Nichts, was er tat, war rein oder ungebrochen. Er lernte
Gitarre spielen von einem schwarzen Straßenmusiker namens Tee-Tot,
aber sein Blues entsprach nie dem 12taktigen Schema, sondern wurde
ins ländlich-weiße Leben übertragen, das Williams so konkret und gemein
zu beschreiben wußte wie kein Zweiter. Der Blues umgab seine Country-Musik
lediglich als Aura; das Wort "Western" in Country & Western spielte
für Hank Williams kaum eine Rolle: Wie sollte auch ein ärmlicher Junge
aus dem Süden etwas von befransten Hollywood-Cowboys verstehen? So
nannte er seine Songs zwar 'Honky Tonk Blues' oder 'Long Gone Lonesome
Blues' und trug Cowboyhüte und Anzüge, die mit schicken Achtelnoten
bestickt waren, aber das hagere Gesicht und die verzweifelten Lieder
erzählten andere Geschichten, Geschichten von Alkohol, Amphetaminen
und Barbituraten, von dominanten Müttern, von verlorener Liebe, von
davongelaufenen Vätern. Von Gräbern.
'Jambalaya' stand gerade an der Spitze
der Hitparaden, als ein abgemagerter Hank Williams halbnackt aus dem
Gefängnis von Alexander City, Alabama, entlassen wurde. Da hatte er
noch vier Monate zu leben: Silvester 1952 wurde er zu einem Konzert
nach Ohio chauffiert. In Knoxville, Tennesse, wo man wegen eines Schneesturms
die Nacht verbrachte, injizierten ihm seine Begleiter schmerzstillende
Mittel, du kannst auch Drogen dazu sagen. Am Zielort Canton wurde
Hank Williams dann für tot erklärt. Es war der frühe Morgen des 1.
Januar 1953.
Sein Tod löste ähnliche Schockwellen
aus wie später die Medientragödien um Elvis Presley oder Lady Di.
Prozesse und häßliche Streitereien um die Erbschaft und die Rechte
an den Liedern komplettierten das skandalöse (Ab-)Leben. Aber nichts
von alledem konnte auch nur ein Quentchen wegnehmen von der schlichten,
geradlinigen und ungekünstelten Art (wie in: Kunst), mit der Hank
Williams eine Musik, die sich zum Gutteil aus Kitsch und Sentimentalität
speist, in Sphären hob, in denen man vielleicht italienischen Neorealisten
oder den Bildern eines Edward Hopper begegnet, aber einem Countrymusiker?
Platz da für 'The Original Singles Collection...Plus'. |
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HANK WILLIAMS
'The Original Singles Collection ... Plus' (1990)
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