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Ein Bruder in der Stimme, doch ansonsten völlig verschieden ist
Mac Rebennack alias Dr. John. Als Teenager begleitete er
bereits Fats Domino und all die anderen Legenden aus New Orleans
bei ihren Studio-Dates, erlernte dabei alles, was ein Musiker, Hurenbock,
Kleinkrimineller, Junkie und Teilzeit-Voodoo-Doktor wissen muß,
schaffte es anschließend als einer der wenigen Musiker des Big Easy
(wie wir Kinogänger sagen), die isolierte Szene der Stadt zu verlassen
und sogar Hits zu landen: Für Beatnik-Gedanken war da keine Zeit.
Heroin und falsche Karriere-Entscheidungen manövrierten Dr. John
Mitte der siebziger Jahre ins Abseits; ein Angebot des ebenfalls
kränkelnden Labels Horizon führte ihn wieder heraus. Und mit etablierten
kalifornischen Studiomuckern wie Hugh McCracken und Steve Gadd spielte
Dr. John das Album 'City Lights' ein, dessen Stücke er zuvor
mit dem Grandseigneur der Songwriter-Gilde Doc Pomus komponiert
und getextet hatte. Das Ergebnis war eine kommerziell erfolglose,
aber zeitlos schöne LP, auf der das Voodoo-Raunzen des guten Doktors
zu Gunsten superslicker Band-Arrangements und puffroter Streicher
zurückgenommen und eine solch dekadente Fin-de-Siècle-Hollywoodiade
aufgeführt wurde, wie sie nur ein ganz Großer wie Mac Rebennack
erträglich gestalten kann. Für Stunden, die nach dicken Zigarren,
einem Asbach Uralt und frischer Bettwäsche verlangen.
Wer einen CD-Wechsler sein eigen nennt, darf liegen bleiben, wenn
'City Lights' ausklingt, denn als zweite CD mit Doc-Pomus-Liedern
wartet bereits 'The Real Me' des Rhythm'n'Blues-Gentleman
Johnny Adams, produziert von Dr. John und mit engagiert-relaxten
Musikern aus New Orleans eingespielt. Hier geht es erdiger zu, wird
der Schampus nur in Platikbechern ausgeschenkt, aber Schuhe, Krawatte
und Anzug sind vom Halbwelt-Feinsten. Man döst zu den mild-verzweifelten
Geschichten vom Jäger der Nacht, vom Verflossenen, Verlorenen, von
starken Frauen und von Männern, die vielleicht und unter Umständen
sogar mal miteinander über irgendwas reden würden. Oder auch nicht.
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75
DR. JOHN
'City Lights' (1978)
76
JOHNNY ADAMS
'The Real Me' (1991)
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