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Abteilung 20 (Fortsetzung) Teil 1 : 2 : 3 : 4 : 5
  Erwachsen, jedenfalls ein bißchen, wurde erst, als sich neben Gary Glitter und Marc Bolan so offensichtlich von der androgynen Muse geküßte Persönlichkeiten wie David Bowie und Brian Ferry Make-up und Plateau-Stiefel zulegten. Während selbst Bowies besten LPs etwas Angestrengtes anhaftet, waren Roxy Music mit und ohne Brian Eno stets auf so natürliche Weise unnatürlich, daß von der ersten Single an klar war: Hier kommt die Zukunft im Glitzerkostüm. Die Musik setzte sich aus postmodernen Rock'n'Roll-Bausteinen zusammen, die nur als zitathaftes Festmachdings dienten, als eklektische Walls of Sound, in die man nach Belieben burleske Elemente von Jazz bis Disco, von elektronischer Avantgarde bis Gospel dübeln konnte. Bereits ein Jahrzehnt vor der hedonistischen Pop-Offensive des Jahres 1982 assoziierte man mit Roxy Music Überfluß, Dekadenz, Luxus und Subversion - Begrifflichkeiten, die auf den überstilisierten Covern der ersten Platten durch glamouröse Models getriggert wurden und gleichzeitig eine ironisch-transsexuelle Brechung erfuhren.
     Am überdrehtesten erscheint mir dieses Konzept auf 'Country Life', da gleich zwei halbnackte Damen vor irgendwelchem Nadelgehölz plaziert sind, gnadenlos angestrahlt, das Schamhaar sichtbar in durchbrochenen Slips, die Brüste mal durch die Hände bedeckt, mal gehalten durch jene BH-Geißel der siebziger Jahre - one size fits all -, die Gesichter grell überschminkt, kurz: so rokokohaft weit von Natur und 'Country Life' entfernt wie nur möglich. Die Musik ist 'Bitter-Sweet' und voller ennui einerseits, wird aber auch von gerade mal so kaschierter Geilheit getrieben, ein hypernervöses Schäferspiel, das die Möglichkeiten von Roxy Music in bisher noch nicht usurpierte Territorien westlich des Mississippi und südlich der Gürtellinie ausdehnente. Brian Ferrys Stimme jammert und balzt sich durch diese neuen Canyons der Sinne, wirkt derangiert und neugierig, muß sich nach burschikosen Anmachliedchen wie 'If it Takes All Night' oder 'All I Want is You' sofort auf hysterische Kunstliedteppiche fläzen, so angestrengt hat ihn 'The Thrill of it All'. Definitiv die Platte für jene Tage, an denen man sich für Marcel Proust hält oder für Edith Sitwell. Vous ne comprenez pas? Überspannt halt.
Und dann kam Punk.

Genrecheck:
Glam

 

 

 

80
ROXY MUSIC
'Country Life' (1974)

 

 

 

 

 

 

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