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Wirklich seltsam war, daß er überall und gleichzeitig
und immer schon da gewesen ist. Vorgestern was in Sounds gelesen,
gestern ein Stück im Radio gehört, heute schon ein Fanzine gekauft
und morgen eine Band gegründet. In London, klar, in München, hoppla,
in Zürich, in Düsseldorf und Berlin, wo alle zugereisten Latzhosen
aus Bielefeld sich plötzlich Sicherheitsnadeln ins Ohr steckten. In
Los Angeles, Glasgow und sogar in Stuttgart: Punk. Blind und taub
konnte man anfangs jede Single, jede LP mitnehmen: Abenteuer garantiert,
neue Sounds, neue Welt. Soziologen warnten. Sozialarbeiter wogen ab.
Journalisten schnüffelten. Faschismus? Kommunismus? Dann, endlich:
no future. 1980, als Punk bereits dreimal für tot erklärt worden war,
erschien auf Rough Trade, dem Label-Flaggschiff und Modell-Unternehmen
der ganzen Chose, ein Sampler, der die britische, also die umstürzlerische,
neutönerische, antirockistische, ideologische Seite des Movements
den rockenden und rollenden Amis klarmachen sollte, die nur Ramones
hörten und Heroin schossen und eine Nacht mit Debbie Harry verbringen
wollten, der schönsten Frau der Welt. Dieser Sampler hieß 'Wanna
Buy a Bridge?' und ging als Compilation ohne Fehl und Tadel in
die Popgeschichte ein: Das Reservoir an Talent und Energie war so
groß, so rein und riesenhaft, daß ein einziges Label 14 seiner Bands
vorstellen konnte, ohne eine klitzekleine Niete dazwischenzumogeln,
eine Null-Band, einen Hype, ohne ein vergängliches Schweinchen über
den market place zu treiben. Klar, daß auch keine Kompromisse gemacht
wurden, wozu auch? Die Revolution stand kurz bevor und der Untergang
von EMI und CBS war beschlossene Sache, weil die Massen sich demnächst
zu den Klängen von Scritti Polittis 'Skank Bloc Bologna' oder
zu Cabaret Voltaires 'Nag Nag Nag' erheben würden. Angemessene
Hysterie ob dieser No-Future-Aussichten verbreiteten Slits, Raincoats,
Kleenex und Essential Logic, während Kindlichkeit durch
die T.V. Personalities und Seriosität durch Robert Wyatt vertreten
waren. Jede der 'Wanna Buy a Bridge?'-Gruppen hat eine oder mehrere
Platten gemacht, die die Popwelt veränderten, ob die verträumte, baßgetriebene
Introvertiertheit der Young Marble Giants oder der spätere,
schmelzende Philosphie-Pop von Scritti Politti. Und auf dieser
einzigen Platte sind sie alle in kritischer Masse vertreten: Punk
Explosion!
'Wanna Buy a Bridge?' endet mit der
demi-sonoren, immer etwas hoch angesetzten, unendlich melancholischen
Stimme Robert Wyatts, der neben Chris Spedding, Nick Lowe oder Kevin
Coyne einer der wenigen britischen Musiker war, die nicht unter das
generelle Boring-Old-Fart-Verbot fiel, sondern als Ex-Popstar und
praktizierender Kommunist eine logische Heimat bei den jungen Revoltierern
fand. Er gab seinen Rough-Trade-Einstand mit einer Singles-Serie,
die amerikanische Pro-Stalin-Songs mit Ivor Cutlers eigenwilliger
Lyrik paarte, Billie Holidays 'Strange Fruit' ohne Peinlichkeit adaptierten
konnte und auch noch Platz machte für Revolutionäres aus Cuba oder
Indien. Mit dieser kleinen Münze kaufte sich Robert Wyatt den
Respekt einer ganz neuen Generation von Musikhörern, die von Soft
Machine zu Recht nichts wissen wollten und ganz für sich allein
eine der großen Stimmen der Popmusik bekamen, auch noch im Dutzend
billiger, als 'Nothing Can Stop Us' die Singles zum Longplayer
vereinte. Beantwortet die Frage, wo man in den 80ern war: auf der
richtigen Seite. Oder gerade erst geboren. Klassiker. |
Genrecheck:
Punk
81
VARIOUS ARTISTS
'Wanna Buy a Bridge' (1980)
82
ROBERT WYATT
'Nothing Can Stop Us' (1982)
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