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Abteilung 18 (Fortsetzung) Teil 1 : 2 : 3 : 4 : 5 : 6
  Einen dem Plan nicht ganz fremden, aber doch anderen, affirmativeren Platz in der Welt erspielte sich in München die Band Freiwillige Selbstkontrolle, die sich wie Fugs oder Throbbing Gristle der Popmusik nur bedienen wollte, weil man ohne Popmusik den selbstgesteckten Kunst-Zielen nicht näher zu kommen meinte - bis man aus Versehen die Popmusik selbst veränderte. Als FSK 1981 rudimentäre Velvet-Underground-Verehrung und Jonathan-Richman-Modernismus mit Bundeswehr-Uniformen und Melodica-Melancholie paarte, ahnte keiner der Beteiligten, daß der Weg über karierte Holzfällerhemden und Country-Jodler zu transatlantischen Feedbackforschungen führen und schließlich bei einer Art gender-diskutierenden Chill-Out-Disco enden würde: Kleidung. Verkleidung.
     Im Fall von FSK ist es nicht weiter schlimm, gegen das absolute Best-of-Verbot zu verstoßen, da ihre Achtziger-Jahre-Werkschau 'F.S.K. bei Alfred' Zeit-, Sound- und Pop-Dokument ist, immer noch geeignet, jede NDW-Party zu sprengen. In gut vierzig Songs wird exemplarisch vorgeführt, wie wandlungsfähig der Mensch sein kann, wenn er sich nur selbst nicht untreu wird, wenn er auf Neugier, Eigensinn und ein bißchen Selbstvertrauen besteht. Außerdem besitzt die FSK-Musik einen eingebauten Trottel-Detektor: Wer FSK hört und dann Dinge äußert wie "Die können ja gar nicht spielen" oder "I woiß ned", ist die Dose Spaghetti-Soße nicht wert, die man für ihn aufgemacht hat.
     In München läuft zum Beispiel ein Mensch herum, der schiebt einen ewigen Grant auf mich. Er ist wegen eines meiner Artikel über FSK dereinst hundert Kilometer zu einem Konzert gefahren und war entsetzt: "Oberschüler-Scheiße" sei das. Menschen, die ihre Instrumente nicht so richtig hypergut beherrschen. Und komische Texte. Das gehe doch gar nicht punkmäßig ab!
     Inzwischen ist der enttäuschte Zeitgenosse Musikmanager und kurbelt die mittelmäßige Karriere einer Hardrock-Spaßpunk-Gruppe an, die Platten macht, die 'Friß Scheiße!' heißen und bei diesen Drei-Tage-Monster-Festivals am ersten Tag am frühen Nachmittag spielen müssen. Vielleicht werden sie es sogar schaffen, einmal Platz 44 der offiziellen Verkaufscharts zu belegen. Viel Glück dabei: Aber die 'Friß Scheiße!'-Band wird immer das langweilige Produkt eines faulen Verstandes bleiben, austauschbar, kurz bejubelt, schnell vergessen. FSK werden, wie die meisten Gruppen in diesem Buch, immer einen Platz im Herzen ihrer Fans und Freunde haben, weil sie deren Leben reicher und schöner gemacht haben. Und wer den Unterschied zwischen FSK und der 'Friß Scheiße!'-Band erst im Altersheim kapiert, hat sein Leben - verschissen. Funky left-wing Western Civilisation.

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FREIWILLIGE SELBSTKONTROLLE
'F.S.K. bei Alfred' (1995)

 

 

 

 

Genrecheck:
Neue Deutsche Welle

 

 

 

 

 

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