|
Einen dem Plan nicht ganz fremden, aber doch
anderen, affirmativeren Platz in der Welt erspielte sich in München
die Band Freiwillige Selbstkontrolle, die sich wie Fugs
oder Throbbing Gristle der Popmusik nur bedienen wollte, weil
man ohne Popmusik den selbstgesteckten Kunst-Zielen nicht näher zu
kommen meinte - bis man aus Versehen die Popmusik selbst veränderte.
Als FSK 1981 rudimentäre Velvet-Underground-Verehrung
und Jonathan-Richman-Modernismus mit Bundeswehr-Uniformen und Melodica-Melancholie
paarte, ahnte keiner der Beteiligten, daß der Weg über karierte Holzfällerhemden
und Country-Jodler zu transatlantischen Feedbackforschungen führen
und schließlich bei einer Art gender-diskutierenden Chill-Out-Disco
enden würde: Kleidung. Verkleidung.
Im Fall von FSK ist es nicht
weiter schlimm, gegen das absolute Best-of-Verbot zu verstoßen, da
ihre Achtziger-Jahre-Werkschau 'F.S.K. bei Alfred' Zeit-, Sound-
und Pop-Dokument ist, immer noch geeignet, jede NDW-Party zu sprengen.
In gut vierzig Songs wird exemplarisch vorgeführt, wie wandlungsfähig
der Mensch sein kann, wenn er sich nur selbst nicht untreu wird, wenn
er auf Neugier, Eigensinn und ein bißchen Selbstvertrauen besteht.
Außerdem besitzt die FSK-Musik einen eingebauten Trottel-Detektor:
Wer FSK hört und dann Dinge äußert wie "Die können ja gar nicht
spielen" oder "I woiß ned", ist die Dose Spaghetti-Soße nicht wert,
die man für ihn aufgemacht hat.
In München läuft zum Beispiel ein Mensch
herum, der schiebt einen ewigen Grant auf mich. Er ist wegen eines
meiner Artikel über FSK dereinst hundert Kilometer zu einem
Konzert gefahren und war entsetzt: "Oberschüler-Scheiße" sei das.
Menschen, die ihre Instrumente nicht so richtig hypergut beherrschen.
Und komische Texte. Das gehe doch gar nicht punkmäßig ab!
Inzwischen ist der enttäuschte Zeitgenosse
Musikmanager und kurbelt die mittelmäßige Karriere einer Hardrock-Spaßpunk-Gruppe
an, die Platten macht, die 'Friß Scheiße!' heißen und bei diesen Drei-Tage-Monster-Festivals
am ersten Tag am frühen Nachmittag spielen müssen. Vielleicht werden
sie es sogar schaffen, einmal Platz 44 der offiziellen Verkaufscharts
zu belegen. Viel Glück dabei: Aber die 'Friß Scheiße!'-Band wird immer
das langweilige Produkt eines faulen Verstandes bleiben, austauschbar,
kurz bejubelt, schnell vergessen. FSK werden, wie die meisten
Gruppen in diesem Buch, immer einen Platz im Herzen ihrer Fans und
Freunde haben, weil sie deren Leben reicher und schöner gemacht haben.
Und wer den Unterschied zwischen FSK und der 'Friß Scheiße!'-Band
erst im Altersheim kapiert, hat sein Leben - verschissen. Funky left-wing
Western Civilisation. |
70
FREIWILLIGE SELBSTKONTROLLE
'F.S.K. bei Alfred' (1995)
Genrecheck:
Neue
Deutsche Welle
Weiter
>>
|