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James Chance habe ich erst 1997 live gesehen.
Er war blaß, arrogant. Er war gut. Sein Saxophonstil und der Spagat
der Band zwischen Standards und Free Funk versuchten weniger, an die
hochenergetischen Jahre um 1980 anzuknüpfen als ein trotziges Spätwerk
zu formulieren: trööt honky tonk. Und James Chance war sogar irgendwie
am richtigen Ort, im Jazzkeller des Münchner Nobelhotels Bayerischer
Hof. Schön, daß Sie noch nicht gestorben sind an zu viel von allem
und vornehmlich dem da. Das Bains Douches im Paris des Jahres 1980
war auch so ein richtiger Ort, ein prallvoller Club im coolen 'Mann
für gewisse Stunden'-Design, ein junger Wilder auf dem Höhepunkt,
kann sogar mit Heroin klar kommen, singt dem Dämon sein 'King Heroin'
ins Gesicht, lachend, scharf auf den nächsten Schuß, der Charlie Parker
des Punkjazz, der Chet Baker der No Wave - wieviele wollten nicht
sein wie er, huhu? Schließlich war Heroin doch der Diesel der Kreativen,
Kokain naja, mehr für die Werbebranche, aber Smack: cool, gefährlich,
deep.
James Chance hat dann anscheinend 15
Jahre gebraucht, um sein Saxophon wieder aus dem Pfandhaus holen zu
können, soviel dazu. Seine Platten mit den Contortions, den
Blacks oder den Flaming Demonics, sein Spiel mit verschiedenen
Identitäten und Haltungen, sein demonstrativ lässiges, rüpelhaftes
Saxophongebläse, seine Funkyness, sein Sinatra-Gehabe und B-Movie-James-Dean-Gemaule
haben ihn groß gemacht für eine Saison, haben die Menschen heftig
streiten lassen, ob hier einer Albert Aylers Erbe antritt oder bloß
ein Blender ist, ein Abzocker, der aufs schnelle Geld aus ist? Im
Rückblick war der James Chance des Jahres 1980 all das und mehr: Mit
etwas mehr Respekt hätte die Jazzfraktion erkennen können, daß da
ein letzter Typ war, der ihre miefige Musik hätte retten können, bevor
sie von diesen Marsalis-Brüdern aufgekauft wurde. Aber die Kerle waren
und sind ja schlimmer als alle K-Gruppen zusammen. Wir hören auf 'Live
aux Bains Douches' den Geist von Funk und Punk und New Wave und
Teenage Rebellion wie schon auf Chances regulären Platten, aber eben
hier noch ein bißchen mehr, ein bißchen fieser, ein bißchen schmutziger
und funkyer, ein bißchen näher an der Klippe: wie er bellt und bläst
und singt, als gelte es das Leben, hmm. Und dabei cool und überheblich
ist wie ein Dutzend Kuratoren des Guggenheim Museums. Da zieht es
einem wirklich die Beine weg. |
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JAMES CHANCE / CONTORTIONS
'Live aus Bains Douches' (1980)
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