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Kurt Cobain ist tot und mit ihm Grunge. Doch der Nordwesten der
USA spuckt weiter Talent um Talent nach Osten; und am weitesten
hat er gespuckt mit Sleater-Kinney, der Antwort der Göttin
auf alle Punkrock-Nöte. Okay, sie sind lesbisch und unverschämt
und laut, aber das war Phranc, das sind Team Dresch auch.
Was die Mädels von Sleater-Kinney und ihre dritte Platte
'Dig Me Out' von den Genannten unterscheidet, sind die Augen
von Corin Tucker, Gesang, Gitarre, Bandidentität. Die anderen beiden
Grrrls waren und sind austauschbar, aber wenn Corin dich von der
Rückseite des 'Dig Me Out'-Covers herab anschaut, dann weißt du,
was los ist. In diesem Blick ist die gesamte Geschichte der amerikanischen
juvenile delinquency, aller Lederjacken und Rocker und Rebellen
ohne Grund und Speedfreaks und Bombenbastler und Lower-Eastside-Junkies
und aller Punks; die Körperhaltung erzählt von katzenhafter Desinvoltura,
von katholischen Internaten, von getrockneter Hundescheiße im Nachttisch
der Oberin, alles zusammen dann von überlegener Intelligenz und
einer Verschlagenheit, die es weit bringen könnte, wäre da nicht
- hmmm, die Musik. Schnell, aber nicht überschnell, laut, einfach,
eine sich überschlagende, auch kieksende Stimme, desinteressierte
Melodien, nur Songs wie Ohrfeigen, wie Arschtritte, akustisches
Karate, oder wie Sleater-Kinney selbst es nennen: 'Words
and Guitar'. Damit kommt man nicht in den 'Titanic'-Soundtrack.
Aber wenigstens in dieses Buch.
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90
SLEATER-KINNEY
'Dig Me Out' (1997)
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