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Abteilung 23 (Fortsetzung) Teil 1 : 2 : 3 : 4 : 5 : 6
  Und wie schaut es mit Lou Reeds Haßliebe John Cale aus? Von dem würde ich 'Music for a New Society' auswählen, um mich an einsamem Strand beim Flaschenpostschreiben an diesem Franzl Schubert meiner Generation zu erfreuen und mich erinnern, wie er Hühnern den Kopf abbiß, russischen Orchestern Eier verpaßte und Chuck Berry einen Minimal Music PhD. 'Music for a New Society' ist Musik für eine neue, eine andere Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die es aushalten kann, daß es bis zum Ende der A-Seite einer LP dauern kann, will man einen halbwegs konventionellen Song hören, 'Close Watch', doch selbst der rauscht, fiepst und britzelt, bis ein Dudelsack und eine Snare das Lied zu einem halbwegs guten Ende bringen. Davor muß jeder für sich durch Cales antarktisches Seeleneis gehen, das diese Gesellschaft mit einer idealistischen Kälte abbildet, die der Sänger mit seiner samtweichen und trotzdem knarzig-walisischen Stimme nicht lindern kann und will. Überhaupt die Stimme: Der fast unerträgliche Hall isoliert den Sänger von der Gesellschaft der Instrumente, schafft einen körperlich spürbaren Abstand, macht eine artifizielle Einsamkeit hörbar. Cales tiefempfundener Humanismus, gern hinter Psychosen, Impertinenz oder Jovialität versteckt, wird auf keiner seiner LPs deutlicher, genau wie die Bedeutung, die er für Lou Reed hatte: der Fremde, der klügere Bruder aus Europa, der Mensch, der mit einem arroganten Arschloch über den Abgrund balancieren mag. Bis das Arschloch losläßt.

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JOHN CALE
'Music for a New Society' (1982)

 

 

 

 

 

 

 

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