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Das Debüt von David Byrne, einer Art intellektuellem
Großcousin von John Cale und Lou Reed, und den Talking Heads
gehört heute zu den überschätztesten Platten auf diesem Planeten:
Wie so viele Meilensteine der siebziger Jahre wirkt auch Byrnes damals
revolutionärer 'Psychokiller' hüftsteif und lahm. Die Rezeptionsgeschwindigkeit
hat sich in diesen gut zwanzig Jahren derart erhöht, daß man sich
'Talking Heads 77' nur noch mühsam durchquälen kann. Okay, die Talking
Heads haben schieben geholfen, damit die New Wave ansprang, immerhin,
sie haben ein paar gute und ein paar bemühte Platten gemacht: Aber
wann hat irgendwer diese Platten zum letzten Mal gehört? David Byrne
hob nach Auflösung seiner Erstsemesterkapelle gleich in die Sphären
der hohen und hehren Kunst ab und scheint erst jetzt, gegen Ende der
neunziger Jahre wieder in die Erdatmosphäre einzutauchen: als Chef
eines Labels, das Erfolg sucht. Als Solokünstler, der mit 'Feelings'
eine CD vorgelegt hat, die alles in den Designer-Schatten stellt,
was ihm früher aus den Gitarren geflossen ist. Nur ist er selbst nun
leider out, ein nostalgisches Beiprodukt zu den achtziger Jahren,
eine Sättigungsbeilage, die kein Hipster mehr ins Menü aufnimmt. Aber
ich bitte, diesen Kardinalfehler nicht zu begehen: Zu intelligent
sind die Texte in einer an guten Texten armen Zeit, zu filigran und
trotzdem druckvoll die Produktion, zu klug und nachgerade verwegen
sind die Arrangements, zu wagemutig die Stimme: zu perfekt diese CD,
die auf selbstverständliche Weise Arabien mit der Westcoast, New Wave
mit Streichquartett, Südamerika mit Iggy Pop verbindet. Klingt abschreckend,
oder? Aber "selbstverständlich" heißt in diesem Fall, daß einem die
Bastardisierung einleuchtet, wenn sie David Byrne, und nur er, vollzieht.
Diesmal hat er die Zutaten unter Kontrolle. Diesmal wird aufgegessen.
Diesmal ist die Musik keine Blaupause für aufstrebende Menschen aus
der Werbebranche, sondern die Spätvollendung eines zu früh Abgeschriebenen. |
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DAVID BYRNE
'Feelings' (1997)
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