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Abteilung 23 (Fortsetzung) Teil 1 : 2 : 3 : 4 : 5 : 6
  Nun doch noch eine Velvet-Underground-Platte: Eigentlich dachte ich, inzwischen ohne die Gruppe leben zu können, die meinem Herzen neben Dylan am nächsten ist. Als ich begann, mir Platten und Argumente für dieses Buch zurechtzulegen, wartete 'Loaded', das vierte Album der Gruppe um Lou Reed, als edel aufgemachte "Fully Loaded Edition'-Doppel-CD auf meinem Schreibtisch darauf, endlich an die einzig passende Stelle im CD-Regal gestellt zu werden. Nur ein Handgriff. Ich ließ die CD gegen alle Gewohnheit liegen, schob die Hülle nicht in ihren Schuber, auch nicht das Beiheft. In den ganzen zwölf Monaten, die ich an diesem Manuskript schrieb, war mir 'Loaded' stets im Weg, meine Lieblingsplatte der Velvets, weil 'Sweet Jane' das erste Stück war, das ich vor endloser Zeit von ihnen gehört habe, im Radio: natürlich was my life saved by 'Rock & Roll'.
     'Loaded', die Ungeliebte, die Platte, die immer vergessen wird, wenn einer die LPs von Velvet Underground aufzählt, war dann auch eine der ersten Platten, die ich mir kaufte. Es dauerte Jahre, bis ich erfuhr, daß Ersatz-Cale Doug Yule die Hälfte der Lieder singt und nicht Lou Reed, daß Maureen Tucker gar nicht trommelte, weil sie schwanger war, weiß ich erst seit kurzem. Was ich damals wußte, war, daß 'Sweet Jane' und 'Rock & Roll' zu der Kategorie Songs gehören, die man in hundert Jahren nicht totspielen kann. Was ich wußte, war, daß 'New Age' und 'Oh! Sweet Nuthin'' ziemlich genau das sind, was ich unter perfekt verstehe, eine Mischung aus Rock, Sentiment, Slogans und Pop-Art. Was ich weiß, ist, daß mein popkulturelles Unterbewußtsein so lange auf stur geschaltet hat, bis ich 'Loaded' wieder in den CD-Player legte und zu den Klängen der Burroughs-Hommage 'Lonesome Cowboy Bill' lostippte. Und "Es" hatte recht: Wieder eine von diesen wunderbaren Platten von einer Band, die bereits ein Scherbenhaufen war, wieder eine Platte, auf der Gruppenidentität nur noch als Fiktion existiert, wieder einmal Musik, deren Aufgabe es zu sein scheint, die gesamte Vergangenheit der Band zusammenzufassen, alles Manierierte und Experimentelle abzustreifen, den populären Kern zu finden, das 'Rock'n'Roll Heart', das Potential, mit dessen Hilfe man ein neues Jahrzehnt, ein neues Label, die Zukunft eben, bestehen kann: "What comes is better than what came before". Musik, für die neunzig Prozent aller Rockmusiker ihre Mutter lebendig einmauern würden.

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VELVET UNDERGROUND
'Loaded' (1970)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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