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Kim Fowley ist der Apokalyptische Reiter der Popgeschichte.
Wo er auftaucht, als Musiker, als Produzent, als Impressario oder
Manager, da bleibt kein Stein auf dem anderen. Also war der Erfolg
beschlossene Sache, als Fowley in den frühen siebziger Jahren anfing,
in einem Reihenhausgarten in Boston zu kampieren, um die Musik der
Modern Lovers aufzunehmen und zu intergalaktischem Ruhm zu
führen. Aber 1972 wurde nichts daraus und 1976 auch nicht. Und als
Jonathan Richman, der vom Velvet-Underground-Klon zum
Sesamstraßen-Charakter mutierte Prophet einer modernen Welt, zu Beginn
der achtziger eine Art Solokarriere anstrebte, hat er in deren Verlauf
vielleicht ein paar tausend Herzen gebrochen und zur Gründung von
ein paar hundert Bands angestiftet, aber seine Hand hat Richman immer
noch nicht in den feuchten Zement auf dem Sunset Boulevard drücken
dürfen. Höchstens als Hilfsarbeiter. Dabei ist diese 99. Platte im
gerammelt vollen Musterkoffer wie ein Sonnenstrahl in einem finsteren
New-Wave-Keller. Die seligmachende Wirkung von Prozac, erzielt durch
Musik. Richman verweigerte sich einfach den Ansprüchen an einen Erwachsenen:
Er blieb ein Teenager, ein Kindskopf, ein Träumer. Er verdammte sich
in unser aller Namen, mit der viel zitierten ewigen Jugendlichkeit
ernst zu machen. So hat seine künstlich induzierte Naivität immer
auch etwas Morbides, Dekadentes. Und diese denkbar einfachen Lieder
über eheliche Treue, die Gedanken eines Kleinkindes oder Erinnerungen
an glückliche Sommerferien, die Jonathan Richman auf 'Jonathan
Sings!' für seine kindische Kundschaft ausbreitet, erinnern auch
immer an die ersten Sequenzen in Horrorfilmen, wo alle noch lachen
und durch das Sonnnenlicht brausen bei offenem Verdeck und keiner
ahnt, daß auf der nächsten Brücke Leatherface wartet.
Wie der von Richman so verehrte Harpo
Marx besaß und besitzt Richman die Fähigkeit, diesen zwiespältigen
Nichtigkeiten, genannt Songs, einen inneren Glanz zu verleihen. Und
dieser Schimmer des Glücks reicht, psychotische Schatten beiseite,
um ein Stück Musikgeschichte wieder lebendig werden zu lassen, in
der das perfekte Glück nie länger als drei Minuten dauerte. |
99
JONATHAN RICHMAN
'Jonathan Sings' (1983)
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